Mit dem E-Auto vom Allgäu nach Südholland? Das geht!

Reichweitenangst beim Elektroauto? Die ist weit verbreitet.
Was dagegen hilft? Die 11 kW-Wallbox in der eigenen Garage.

Ist eine Restladung von 20 Prozent erreicht, stecke ich das Kia e-Niro Modell 2020 an. In rund sechs Stunden zeigen die Akkus mit 64 Kilowatt Kapazität wieder 100 Prozent an. Abhängig von der letzten Fahrweise leuchtet auf dem Display dann eine Reichweite von 430 bis 469 Kilometer auf. Im Sommer, wohlgemerkt. Das fühlt sich gut an. Und genügt für etliche Fahrten auf dem Land.

Akkuanzeige mit diesen Daten: Akku 100% geladen, Reichweite 469 km.

Nach vier Monaten als Besitzerin eines Elektroautos steht fest: Auto und Reichweite sind für mich alltagstauglich. Kundenbesuche, Einkaufen, die 120 Kilometer hin und zurück zu den Eltern mit Pflegestufe – alles kein Problem. Im Schnitt einmal die Woche hängt der e-Niro am Strom. Die Photovoltaik-Module auf unserem Hausdach erzeugen ökologischen Strom, aktuell noch zum Einspeisen ins Netz. Wenn dieser Vertrag in ein paar Jahren ausläuft, fließt der selbst erzeugte Sonnenstrom über einen Speicher direkt ins Elektroauto.

Die angezeigte Reichweite erreicht der e-Niro auf der Landstraße absolut zuverlässig. Wird die Klimaanlage bei niedrigster Stufe betrieben, sinkt die Reichweite lediglich um rund zehn Kilometer. Ab 125 Stundenkilometer auf der Autobahn steigt der Verbrauch von durchschnittlich 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer auf 17 bis 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Die Reichweitenanzeige passt sich laufend an.

Urlaub in Südholland mit dem E-Auto

Im Sommer haben wir Urlaub in Südholland geplant. Kämen wir auch da mit dem E-Auto zurecht?
Und: Welche Ladekarten sind eigentlich für die öffentlichen Ladestationen erforderlich?

Zwei Stunden Online-Recherche später fällt die Entscheidung contra Ladekarte und pro App. Einige E-Auto-Fahrer raten zur mobility+ App des Stromanbieters EnBW. Download, Registrierung und Bezahlmethode eingeben sind in zehn Minuten erledigt.

Beim ersten öffentlichen Test-Laden an der A7 auf dem Weg nach Würzburg kommt an der Raststätte Ohrenbach dann doch etwas Nervosität auf. Ich öffne die App. Wo versteckt sich der QR-Code der Ladesäule? Ah, direkt rechts neben dem Ladekabel. Nach dem Einscannen kann das Ladekabel der Säule am Auto eingesteckt werden. Die Ladesäule reagiert mit einem dumpfen Brummen. Die Ladeanzeige in der Windschutzscheibe blinkt jetzt grün. Ein gutes Zeichen, das ich aus der heimischen Garage kenne. Das Display im Innenraum zeigt an: 92 Minuten bis 100 Prozent. Ausreichend Zeit für Kaffee und Kuchen. Nach 69 Minuten beende ich den Ladevorgang. 35,5 Kilowattstunden für 17,39 Euro. Das reicht bis weit über das Ziel hinaus. Der erste Test ist gelungen.

Nach dieser positiven Erfahrung beschließt der Familienrat, dass wir per E-Auto nach Südholland fahren. Mit der smoov-App für kleinere Ladesäulen in den Niederlanden und der fastned-App für Schnellladesäulen an den Autobahnen fühlen wir uns gut gewappnet.

Hinfahrt über Köln an den Brouwersdam, 811 km

Die erste Teilstrecke führt nach Köln, drei Tage Verwandtenbesuch sind geplant. Für die 509 Kilometer braucht es nur einen Ladestopp. Die Entscheidung fällt auf die Raststätte Am Hockenheimring Ost an der A61. Wir erreichen sie nach 260 Kilometern in gut 2,5 Stunden Fahrtzeit. Dort sind morgens um neun Uhr alle Ladesäulen frei. Als wir nach 55 Minuten unser Frühstück beenden, sind 38,8 Kilowattstunden für 14,75 Euro geladen. Die Akkus sind zu 85 Prozent voll. Das reicht für die restlichen 250 Kilometer bei weitem. Es ist warm geworden, wir schalten die Klimaanlage ein. Ein Test zur Spitzengeschwindigkeit des e-Niro zeigt 172 Stundenkilometer an.

Ziel der zweiten Teilstrecke ist die niederländische Provinz Zeeland. Dort stehen Meer und Wasseraktivitäten auf dem Programm. Vor der Abfahrt hat das Elektroauto gut 25 Stunden an einer normalen Haussteckdose beim Schwager geladen. Das Kabel dafür ist in der Grundausstattung von Elektroautos enthalten. Tabu ist es, beim Laden an einer Haussteckdose mit einem Verlängerungskabel zu arbeiten. Das könnte erhitzen und einen Brand auslösen. Das vom Hersteller mitgelieferte Kabel zu verwenden ist dagegen sicher. Kia rät jedoch, es nur im Ausnahmefall und nicht regelmäßig zu benutzen. Ohne Zwischenstopp erreichen wir nach 302 Kilometern unsere Pension im Dorf Zonnemaire. Selbst die Strecken zum Einkaufen im nächsten Supermarkt, zum Abendessen in Browershaven und zu den Wasseraktivitäten am Browersdam sind drin, bevor nach zwei Tagen das nächste Laden ansteht.

smoov-App mit Hindernissen

Google Maps verzeichnet eine Ladestation in Zonnemaire. Die steht nur 300 Meter von unserer Unterkunft entfernt. Aber: Sie ist E-Scootern vorbehalten. Die Unterkunft selbst hat keine Lademöglichkeit. Das sei für nächstes Jahr geplant, erklärt uns der Besitzer. Die smoov-App zeigt eine Ladesäule im Nachbarort an, laut Navi drei Kilometer entfernt. Die zwei 11 kW-Ladesäulen sind leicht zu finden. Eine davon ist frei. Also: smoov-App öffnen, QR-Code einscannen, E-Auto und Ladesäule mit dem mitgeführten 22 kW-Ladekabel verbinden. Das habe ich zum Glück vor der Reise gekauft. Während die Schnelladestationen an den Autobahnen bislang alle mit einem festen Ladekabel ausgestattet waren, scheint das bei den kleineren Ladesäulen nicht der Fall zu sein. Doch: Der Ladevorgang startet nicht. Die App verlangt, dass ich zunächst den AGB zustimme. Leider erkenne ich nicht, wo das Häkchen zu setzen ist. Wir durchsuchen alle Menüpunkte der App – nichts zu finden. Ich versuche es, mein 14jähriger Sohn versucht es, eine freundliche Niederländerin – nichts. Inzwischen sind Freunde eingetroffen, die uns an der Ladesäule abholen wollen, damit wir die drei Kilometer nicht zu Fuß im Nieselregen zurückgehen müssen. Ich setze meine letzte Hoffnung auf den 18jährigen Samuel, zeige ihm die App. Kopfschütteln. Wir überlegen die Alternativen. Vielleicht eine Autobahnraststätte ansteuern? Da ertönt ein Triumpfschrei. „Einfach scrollen“, sagt Samuel grinsend. Jetzt startet auch der Ladevorgang. „Wie peinlich“, denke ich mir und sage es. Aber egal: wieder was dazu gelernt!

Vollgeladen geht es am nächsten Tag ins 124 Kilometer entfernte Vinkeveen. Dort wechseln wir auf ein Hausboot und schippern die nächsten sieben Tage auf Kanälen und Flüssen durch Südholland. Das Auto bleibt zurück. Es entlädt sich in der Woche doch hoffentlich nicht? Nein, tut es nicht. Die Reichweite zeigt nach sieben Tagen unverändert 326 Kilometer an.

Damit kommen wir bequem ins 201 Kilometer entfernte Ratingen, dem letzten Übernachtungsstopp unserer Reise. Bevor wir bei unseren Freunden klingeln, checken wir die zwei Ladestationen, die Ratingen-Lintorf bietet. Die erste scheidet aus. Sie ist nur mit einer regionalen Ladekarte bedienbar. Die andere gehört einer Werbeagentur und funktioniert mit der mobility+ App. Zudem liegt sie nur zehn Minuten zu Fuß von unseren Freunden entfernt. Das Laden klappt ohne Probleme. Lediglich zur Freigabe des Kabels nach fünfeinhalb Stunden Laden muss der QR-Code erneut gescannt werden. Das ist neu. Irgendwie birgt das öffentliche Laden immer wieder Überraschungen. Wir haben 56,2 Kilowattstunden geladen und zahlen 15,89 Euro.

Heimfahrt: von Ratingen ins Allgäu, 565 Kilometer

Für die Rückfahrt von Ratingen ins 565 Kilometer entfernte Allgäu planen wir einen einzigen Ladestopp ein. Inzwischen mutiger geworden, wollen wir unterwegs spontan entscheiden, wo. Kleinere Staus und der Hunger lassen die Wahl auf die Raststätte Bruchsal West an der A5 fallen. Dort stehen mehrere EnBW-Schnellladesäulen, von denen nur eine belegt ist. Wir wählen leider die falsche, der Ladevorgang bricht viermal hintereinander ab. Nach dem Wechsel auf die Säule nebenan klappt es aber einwandfrei. 47 Minuten später ist unser Hunger gestillt. Wir haben 43,8 Kilowattstunden geladen und 16,64 Euro dafür bezahlt. Das reicht für die restlichen 241 Kilometer nach Hause, zur heimischen Wallbox.

Mein Fazit

Längeres Reisen mit dem Elektroauto ist innerhalb Deutschlands und den Niederlanden einfacher als gedacht. Entlang der Autobahnen stehen ausreichend Schnellladestationen. Abseits der Autobahnen sind Planung und Flexibilität gefragt. Könnte man an Ladestationen einfach mit EC- oder Kreditkarte bezahlen, würde das vieles erleichtern.

Wissenswertes zum Elektroauto

Wie schnell geht Schnellladen?

Das hängt vom Elektroauto ab. Das Kia e-Niro Modell 2020 ist mit einem 100 kWh-Schnellladeanschluss ausgestattet. An den Schnellladestationen hat er bislang mit maximal 68 kW geladen. Der Ladevorgang von 20 auf 80 Prozent dauerte am 150 kWh CCS-Anschluss eine halbe Stunde. Ab geladenen 80 Prozent verlangsamt sich der Ladeprozess merklich.

11 kW Wallbox – wie lange dauert das Laden?

Zuhause an der 3phasigen Wallbox lädt der e-Niro in gut sechs Stunden von 20 auf 100 Prozent. Über die UVO-App von Kia lässt sich der Ladevorgang kontrollieren. Nicht nur zuhause, auch an den öffentlichen Ladestationen.

Wie wird an der Ladesäule bezahlt?

Entweder über eine Ladekarte oder eine App. Apps haben den Vorteil, dass man sie auch noch direkt an der Ladesäule downloaden und einrichten kann – sofern Empfang vorhanden ist, E-Mails am Handy abgerufen werden können und die Kontodaten verfügbar sind. Ansonsten empfiehlt es sich, die App vorab zu installieren. Stationen mit EC- oder Kreditkartenbezahlung habe ich bislang noch nicht entdeckt.

Was kostet öffentliches Laden?

Das hängt vom Anbieter der Ladesäule und den Tarifen der App ab. Vergleichen lohnt sich. Langsames Laden (DC) gibt es bei der mobility+ App ab 38 Cent pro Kilowattstunde, schnelles Laden (AC) ab 48 Cent, beides ohne Grundgebühr. EnBW-Kunden und ADAC-Mitglieder erhalten einen günstigeren Tarif.

Sigrid Leger