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Holz kann deutlich mehr sein als Bau- und Brennmaterial

Das Schmuttertal Gymnasium in Diedorf ist ein Plusenergiegebäude, ausgezeichnet mit dem Deutschen Architekturpreis 2017.
Bild: Stefan Müller-Naumann

Deutschland will bis 2045 Neutralität beim Ausstoß von Treibhausgas erreichen. Warum? Damit der von Menschen verursachte Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur bei 1,5°C endet. Im Unterschied zu den bisherigen natürlichen Temperaturschwankungen der letzten 10.000 Jahre erwärmt sich die Erde aktuell mit zehnfacher Geschwindigkeit. Im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter betrug der Anstieg 2019 bereits 1,1°C und setzt sich unvermindert mit 0,2°C alle zehn Jahre fort.

Als Hauptverursacher der globalen Erwärmung gilt das Treibhausgas CO2. Laut Umweltbundesamt entfielen 2020 bei der Freisetzung von Treibhausgasen 87,1 Prozent auf Kohlendioxid. Weitere klimawirksame Emissionen verursachen mit 6,5 Prozent Methan, mit 4,6 Prozent Lachgas und mit rund 1,7 Prozent die fluorierten Kohlenwasserstoffe.

Wie reduzieren Unternehmen ihren CO2-Ausstoß?

Einer der wohl wichtigsten Punkte ist der Umstieg von den fossilen Energieträgern Erdöl und Erdgas auf die erneuerbaren Quellen Sonne, Wind und Wasser. Zusätzlich spielt die Reduzierung des Energieverbrauchs eine wichtige Rolle. Etwa ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland entfallen auf den Gebäudesektor. Dazu zählen die Primärenergie zur Herstellung aller Arten von Gebäuden sowie die spätere Energie für deren Nutzung. Im Gebäudesektor wurde 2020 das Ziel von 118 Millionen Tonnen ausgestoßenem Kohlendioxid-Äquivalent um 2 Millionen Tonnen überschritten. Um das angestrebte Ziel von nur noch 67 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 zu erreichen, müssten der Gebäudesektor den Ausstoß um 43 Prozent reduzieren. Eine Herkulesaufgabe. Denn voraussichtlich hat der Sektor Gebäude, ebenso wie der Verkehr, die vorgegebenen Reduzierungsziele für 2022 erneut überschritten. Zahlen dazu veröffentlicht das Umweltbundesamt im März 2023.

Heimisches Holz als Baumaterial der Zukunft

Neubau des aktuell höchsten deutschen Holz-Hochhauses Roots in der Hafencity in Hamburg, 65 Meter hoch, mit 19 Geschossen. Bild: Jörg Böthling

Eine der Möglichkeiten, den CO2-Ausstoß bereits beim Bau von Gebäuden effektiv zu reduzieren, ist die Steigerung der Holzbauquote. Im Gebäudesektor hat Holz als Baumaterial das Potenzial, relevante Anteile des klimakritischen Baustoffs Zement zu ersetzen. Und Gebäude so zu einem langlebigen CO2-Speicher zu machen. Rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen werden von der Zementindustrie verursacht. Gut die Hälfte davon entsteht bei der Umwandlung von Calciumkarbonat (CaCO3) in Calciumoxid (CaO), wobei ein Molekül CO2 freigesetzt wird.

 „Nachwachsende Rohstoffe gewinnen angesichts des Klimawandels an Bedeutung. Und da ist Holz definitiv ein Hoffnungsträger“, erklärt Professor Hermann Kaufmann, bis 2021 Professor für Holzbau und Entwerfen an der TU München. „Holzgebäude helfen uns in der CO2-Frage: Bäume entnehmen CO2 aus der Atmosphäre und binden dieses in Form von Kohlenstoff im Holz. Wird das Holz verbaut, wird Platz für neues Waldwachstum geschaffen. In gewisser Weise wird durch Holzgebäude ein zweiter Wald, ein zusätzlicher Kohlenstoffspeicher, in die Dörfer und Städte gestellt. Darüber hinaus ersetzt Holz Baustoffe, die mit fossiler Energie erzeugt werden. Bei einem Holzhaus, das schließlich am Ende seines Lebens angekommen ist, kann das Material entweder weiterverwertet werden oder zur CO2-neutralen Energieerzeugung beitragen“, sagte er 2021 bei den Baukulturwochen in Kolbermoor.

Kaskadennutzung spart zusätzlich CO2

Rucksack aus Zellstoff, gewonnen aus Weichholzschnitzeln. Bild: FNR/Guido Kirchner

Mit seinem letzten Satz spricht Hermann Kaufmann einen wichtigen Punkt an, die sogenannte Kaskadennutzung. Darunter versteht man die stoffliche Mehrfachnutzung, die zusätzliche CO2-Einsparungen bewirkt. Holz und daraus hergestellte Holzprodukte bleiben bei Kaskadennutzung so lange wie möglich im Wirtschaftssystem. Voraussetzung ist ein geregeltes Recycling des nachwachsenden Rohstoffs, damit dieser stofflich hochwertig wiederverwertet werden kann. Idealerweise werden so aus Bauholz später andere Holzprodukte, dann Altholz für Spanplatten und Holzwerkstoffe und am Ende des Zyklus Brennmaterial zur CO2-neutralen Verbrennung. Dort setzt der Brennstoff nur so viel Kohlendioxid frei wie während der Wachstumszeit im Holz gespeichert wurde.

T-Shirts aus Lycocellfasern. Die Zellulose dafür stammt aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Bild: wijld.com

Von neuartigen Leitschutzplanken aus heimischen Holzverbundstoffen über Kleidung aus Lycocellfasern, deren Grundstoff Zellulose aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt, bis zur veganen Alternative aus Holz für Leder, Stoffe und Bezüge gibt es inzwischen zahlreiche Ansätze der Kaskadennutzung von heimischem Holz. Jeder noch so kleine Beitrag Allgäuer Unternehmen zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen zählt.

Holz oder Stoff? Die vegane Lederalternative aus Holz.
Bild: © NUO GmbH | Germany | www.nuo-design.com